Zehn Jahre Finanzkrise: Attac kündigt europaweite Aktionen an
Am Samstag jährt sich zum zehnten Mal die Verstaatlichung der britischen Großbank Northern Rock – eines der markantesten Ereignisse der globalen Finanzkrise 2007/2008. Doch geschehen ist seither wenig, um die Finanzmärkte zu regulieren und Bankenrettungen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern.
Kritische Systemrisiken und lächerliche Eigenkapitalquoten
"Von einschneidenden Reformen kann keine Rede sein", stellt Alfred Eibl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. "Dabei sind die wirksamen Rezepte bekannt: Banken müssen so geschrumpft werden, dass sie kein Systemrisiko, also nicht mehr 'too big to fail' sind. Wir brauchen endlich ein Trennbankensystem, in dem das Kundengeschäft vom Handel auf den Finanzmärkten getrennt ist. Ein Finanz-TÜV muss darüber entscheiden, was auf den Finanzmärkten gehandelt werden darf – und die
Finanztransaktionssteuer muss endlich eingeführt werden."
Wie weichgespült die wenigen konkret beschlossenen Maßnahmen sind, zeigt das im Dezember verabschiedete Abkommen Basel III, ein international abgestimmtes Reformwerk der Zentralbankgouverneure. Darin wurden drei Prozent als noch zulässiger Wert für die Eigenmittelquote festgelegt. Alfred Eibl: "Anders ausgedrückt: Wenn mehr als drei Prozent der gewährten Kredite wegbrechen, ist die Bank pleite. Das ist lächerlich. Auf einer solch geringen Eigenkapitalbasis lässt sich kein stabiles Finanzsystem aufbauen. Dass die EU über vier Prozent diskutiert, macht den Kohl auch nicht fett."
Europaweite Attac-Aktionen rund um Jahrestag der Lehman-Pleite
Die Finanzgeschichte ist gepflastert mit Bankenpleiten auf der Jagd nach immer höhreren Kapitalrenditen. Die Lasten hatten dabei stets die Beschäftigten und kleinen Anleger sowie bei breiten Finanzkrisen die Allgemeinheit zu tragen. "Auch diesmal hat es die Bankenlobby geschafft, einschneidende Reformen zu verhindern. Um den Skandal auf die Spitze zu treiben, kritisieren die Verantwortlichen für die jüngste Finanzkrise nun die viel zu hohe Staatsverschuldung, die erst durch die Bankenrettungsaktionen entstanden ist", sagt Alfred Eibl.
Mit europaweiten Aktionen rund um den zehnten Jahrestag der Lehman-Brothers-Pleite am 15. September wird Attac seine Forderungen nach einer echten Regulierung der Fi-nanzmärkte und Banken an die Öffentlichkeit tragen, damit der Finanzsektor der gesamten Gesellschaft dient und nicht umgekehrt.
Hintergrund Northern Rock
Am 17. Februar 2008 verkündete die britische Regierung die Verstaatlichung der Northern Rock, eine der zehn größten Banken Großbritanniens. Die Rettung der britischen Großbank durch die Steuerzahler_innen machte auch für die breite Öffentlichkeit die Tiefe der Finanzprobleme offensichtlich.
Zuvor war die Northern Rock durch die Krise am amerikanischen Subprime-Markt in Schwierigkeiten geraten und musste am 12. September 2007 die Bank of England, die Zentralbank von Großbritannien, um eine erste Liquiditätshilfe bitten.
Als dies bekannt wurde, kam es am Freitag, 14. September, zu einem "Bank-Run": Kunden strömten in die Zweigstellen der Bank und versuchten, ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Es bildeten sich lange Schlangen erregter und verzweifelter Menschen, die um ihre Ersparnisse fürchteten. In einer Zweigstelle verbarrikadierten sich sogar Kunden mit Bankangestellten, um die Auszahlung ihrer Geldanlagen zu erzwingen. Durch den Ansturm brachen die Banksysteme zeitweise zusammen, was die Krise weiter verschärfte. Innerhalb von zwei Banktagen wurden rund drei Milliarden Pfund abgehoben.
Der Ansturm legte sich erst nach der Ankündigung des britischen Finanzministers, die Regierung und Bank of England würden für die Guthaben garantieren. Bis zum Januar 2008 stütze die britische Zentralbank die Northern Rock mit 26 Milliarden Pfund. Die Bank wurde dadurch faktisch zum öffentlichen Eigentum.
Da in der Zwischenzeit Bemühungen, die Bank zu einem "realistischen Preis" zu verkaufen, gescheitert waren, verkündete die Regierung am 17. Februar 2008 die Verstaatlichung der Northern Rock.
Im weiteren Verlauf wurde die Northern Rock aufgespalten und der unverschuldete Teil, die sogenannte Good Bank, 2011 verkauft. Die Bad Bank mit den Schulden blieb im Staatsbesitz.
Ursache des Zusammenbruchs der Northern Rock waren die in hohem Maß betriebene extreme Fristentransformation (langfristige Darlehen wurden aus kurzfristigen Geldquellen finanziert, die in der Krise austrockneten) und die viel zu niedrige Eigenkapitalbasis.